
Am 6. April 2025 fand das Festival FIND in der Schaubühne Berlin seinen feierlichen Auftakt mit mehreren eindrucksvollen Inszenierungen. Im Mittelpunkt stand die Produktion „Lacrima“ von der Regisseurin Caroline Guiela Nguyen. Diese beeindruckende Inszenierung befasst sich mit den komplexen kulturellen und sozialen Fragen, die sich rund um die Herstellung eines Hochzeitskleides für eine britische Prinzessin gruppieren. Das zentrale Element, das durch die gesamte Aufführung zieht, ist das Brautkleid, welches in monatelanger Arbeit an drei verschiedenen Orten weltweit entworfen und gefertigt wird.
Das Kleid, angefertigt aus kostbarer Spitze und verziert mit feiner Perlenstickerei, wird zum Symbol für das kolonialistische Großmachtstreben und den Reichtum der alten Welt. Zugleich steht es für die „Schönheit der Welt“ und die unzähligen Menschen, die in den verschiedenen Produktionsstätten an seiner Entstehung mitwirken. Die Inszenierung nutzt eine Kombination aus Live-Videos und Performance, wodurch die harten Realitäten und die Geschichten der Mitarbeiter*innen einer Pariser Luxus-Schneiderei auf beeindruckende Weise zum Ausdruck kommen.
Einblicke in die Produktion
„Lacrima“ thematisiert nicht nur den Glanz der Mode, sondern auch die Strukturen von Gewalt und Ausbeutung, die hinter der glamourösen Fassade stehen. Zu sehen sind dialoglose Szenen, die lediglich die Vorschriften und Kontrollen der Auftraggeber zeigen. Die Geschichten der Spitzen-Stickerinnen aus Avençon, die sich seit den 1950er Jahren gewerkschaftlich organisiert haben, werden durch den Einsatz von Videoaufnahmen sichtbar, während ihre fragilen Existenzen nicht direkt abgebildet werden. Diese künstlerische Entscheidung fördert das Bewusstsein für die Realität hinter der Mode.
Die Inszenierung, die etwa drei Stunden dauert, enthält zwei zentrale Dialoge über die Schönheit der Welt zwischen Enkelin und Großmutter sowie Tochter und Vater. Das Bühnenbild zeigt, wie die Mitarbeiter*innen an ihren Objekten arbeiten, was inmitten eines eindrucksvollen Soundtracks aus schwelgendem Streicherklang geschieht.
Weitere spannende Aufführungen
Der Eröffnungsabend wartete auch mit weiteren bedeutenden Produktionen auf, darunter „Héritage“ von Cédric Eeckhout. Diese Inszenierung, die eine intime Reise durch das Leben einer fast 80-jährigen Mutter darstellt, wird begleitet von alten Bildern und Videos, die ihre Lebensgeschichte vermitteln. Die Erzählung thematisiert das Leben einer Frau, die jung heiratete und vier Kinder bekam. Ihr Sohn bezeichnet sie als „Material Girl“ und würdigt ihre Stärke als „Kämpferin“.
Ebenfalls auffällig war „Safe House“ von Enda Walsh, in dem die performative Biografie einer fiktiven obdachlosen Frau namens Grace auf der Bühne lebendig wird. Schauspielerin Kate Gilmore brillierte in der zentralen Rolle, während sie von Video-Rückblenden ihrer Kindheit begleitet wurde. Allerdings wurde ihr Gesang gelobt, während die Texte als schwülstig kritisiert wurden. Die Inszenierung endet auf bedrückende Weise mit einem angedeuteten Selbstmord.
Alle drei Produktionen – „Lacrima“, „Héritage“ und „Safe House“ – stammen von angesehenen Theatern: dem Théâtre national de Strasbourg, dem Théâtre de Liège und dem Abbey Theatre. Sie bieten nicht nur Unterhaltung, sondern laden auch zur Reflexion über tiefgreifende gesellschaftliche Themen ein. Der Kontext der Inszenierungen zeigt den Einfluss von Mode und Kunst auf soziale Fragen und macht die Veränderungen in der Wahrnehmung von Schönheit und Identität deutlich. Diese Themen sind relevant in einem globalisierten Zeitalter, in dem die Verbindungen zwischen verschiedenen Kulturen es erfordern, neue Narrative zu entwickeln.