
In dieser Woche steht im Bundestag eine neue Hochschulresolution im Fokus, die sich mit dem Thema „Antisemitismus“ befasst. Kritiker, darunter Gewerkschafter:innen, Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiter:innen, äußern Bedenken, dass die Resolution weitreichende Konsequenzen für die Freiheit an Hochschulen haben könnte. Es besteht die Sorge, dass sie zu mehr Polizeipräsenz auf den Campus führen und die Wissenschaftsfreiheit einschränken könnte, wie klassegegenklasse.org berichtet.
Eine Kundgebung an der Freien Universität Berlin, organisiert durch das FU-Palästinakomitee, verdeutlicht diese Ängste. Tabea von der marxistischen Hochschulgruppe kritisiert in diesem Zusammenhang, dass die Resolution nicht ernsthaft gegen Antisemitismus gerichtet sei, sondern vielmehr gegen die „Israelfeindlichkeit“. Diese Sichtweise wird durch die Realität gestützt, dass der Staat gemäß den Kritiker:innen nicht in der Lage ist, jüdisches Leben ausreichend vor Gewalt zu schützen, was durch den antisemitischen Anschlag von Halle und weitere Vorfälle im Gedächtnis bleibt.
Befürchtungen über Einschränkungen der Meinungsfreiheit
Die Hochschulrektorenkonferenz hat sich bereits gegen die Resolution ausgesprochen. Angesichts vergangener Ereignisse, in denen Universitätsleitungen Proteste gewaltsam aufgelöst haben, wird der Kampf gegen die Resolution als ein bedeutender Schritt für die Wahrung der demokratischen Prinzipien an Hochschulen angesehen. Inés Heider, eine Kommilitonin, hat sich zur Bundestagswahl aufgestellt und fordert ein Ende des Gaza-Genozids sowie ein Stopp von Waffenlieferungen. Sie setzt sich für ein freies Palästina ein und fordert, dass alle Anzeigen gegen Studierende fallengelassen werden.
Das Augenmerk der Diskussion liegt auch auf der Notwendigkeit von Selbstverteidigungskomitees und auf einer Entwaffnung der Polizei. Eine Veranstaltung im „Roten Café“ möchte die Themen der politischen Kandidatur und des Wahlkampfes intensiver beleuchten.
Kritik an der neuen Resolution
Ebenfalls kritisch äußert sich Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, zur Resolution „Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken“. Sie befürwortet zwar das Ziel, Maßnahmen gegen Antisemitismus und Rassismus zu ergreifen, warnt aber vor schwerwiegenden Verletzungen von Grund- und Menschenrechten. Duchrow betont, dass die Kriminalisierung legitimer Kritik an der israelischen Regierungspolitik befürchtet werden muss. In den letzten Monaten gab es bereits Kritik an der Resolution von Jurist*innen, Kulturschaffenden und prominenten Stimmen der Zivilgesellschaft, wie auf amnesty.de festgehalten wird.
In diesem Zusammenhang ist auch die unklare Anwendung der IHRA-Definition von Bedeutung, da unklar bleibt, wie diese Regelung möglicherweise in das Straf- und Asylrecht sowie in staatliche Fördermittel eingreifen könnte. Es bleiben offene Fragen zur Vermeidung von Missbrauch und wie die Prüfung der Anträge durchgeführt werden soll.
Antisemitismus an Hochschulen
Eine Studie des Bundesforschungsministeriums zeigt, dass israelbezogener Antisemitismus bei acht Prozent der Studierenden in Deutschland vorkommt, was im Vergleich zur Gesamtbevölkerung nicht besonders hoch erscheint. Dennoch sind allgemeine antisemitische Einstellungen unter Studierenden um zehn Prozent geringer als im Rest der Gesellschaft, wie das ZDF berichtet. Es gibt allerdings Berichte über Störungen von Vorlesungen und verbale sowie körperliche Angriffe von propalästinensischen Aktivisten.
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat Hochschulen nun dazu aufgerufen, konsequent von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und die Bestimmungen zur Exmatrikulation in schweren Fällen zu überprüfen. Nach einem mutmaßlichen Angriff auf einen jüdischen Studenten an der Freien Universität Berlin sprach der Zentralrat der Juden die Forderung nach der Exmatrikulation des Täters aus. Rund ein Drittel der jüdischen Studierenden hat Diskriminierung erlebt, und mehr als die Hälfte hat solche Vorfälle an der Hochschule beobachtet. Stark-Watzinger hebt die dringende Notwendigkeit von Präventionsmaßnahmen gegen Antisemitismus hervor.
Insgesamt verdeutlicht diese Debatte die Spaltung und die unterschiedlichen Perspektiven zu einem äußerst sensiblen Thema in der Hochschullandschaft Deutschlands. Die kommenden Wochen dürften weitere Entwicklungen und mögliche Auswirkungen auf die Hochschulpolitik nach sich ziehen.